Bionik und die fühlende Beinprothese
Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2023
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Die Bionik beschäftigt sich mit dem Übertragen von Phänomenen der Natur auf die Technik. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist Leonardo da Vincis Idee, den Vogelflug auf Flugmaschinen zu übertragen. Im Fall der fühlenden Beinprothese werden in Anlehnung an die Natur sensorische Nerven im Körper mittels dem sensorischen Feedbacksystem Suralis angesprochen.
Die Idee der fühlenden Beinprothese
Viele Menschen mit Amputationen leiden unter sogenannten Phantomschmerzen, da das Gehirn vergeblich versucht, Informationen vom nicht mehr vorhandenen Fuß abzurufen. Die durch das österreichische Start-up Saphenus entwickelte Sensor-Technik ermöglicht es, dass sensorische Nervenenden am Amputationsstumpf das Leck an Informationen im Gehirn wieder füllen können, was zu einer Reduktion der Phantomschmerzen führt.
Die in die Sohle der fühlenden Beinprothese integrierten Sensoren erkennen die Abrollbewegung beim Gehen, geben diese Information in den Prothesenschaft, von wo sie durch Aktoren auf die sensorischen Nervenenden am Amputationsstumpf übertragen werden. Diese Simulation der nicht mehr vorhanden Fußsohle am Amputationsstumpf führt dann dazu, dass das Gehirn beim Gehen wieder mit Informationen versorgt wird, sodass der Prothesenträger seinen Fuß vermeintlich spürt.
TSR – Targeted Sensory Reinnervation
Bei der gezielten sensorischen Reinnervation (TSR) werden nicht mehr genutzte Nervenenden an den Stumpf zurückgeführt bzw. transplantiert und mit anderen Nervenenden „zusammengeschlossen“. In Verbindung mit der bionischen Beinprothese ist die TSR insofern sehr interessant, als dass durch die Nutzung des bestehenden Nervenkonstruktes und die Rückführung dessen an den Stumpf, der Betroffene Gefühle an einem nicht mehr vorhandenen Bein wiedererlangt und häufig auch von einer Schmerzfreiheit bereits nach der Operation berichtet.
Suralis und die fühlende Beinprothese
Suralis, das sensorische Feedbacksystem, das in die Prothese integriert wird, hat vor kurzem die Zulassung als Medizinprodukt erhalten. Es kann bei jeder bestehenden Prothese unabhängig von der technischen Ausführung und unabhängig vom Hersteller verwendet werden.
Im Rahmen eines Erstgespräches mit dem auf TSR spezialisierten, rekonstruktiven Chirurgen und dem Orthopädietechniker, der die Prothese versorgt hat, wird geklärt, um welchen Schmerz es sich konkret hat (Phantom- oder Neuromschmerz). Handelt es sich um einen Phantomschmerz wird mit weiteren Untersuchungen getestet, inwieweit der sensorische Nerv ansprechbar ist. Macht eine Behandlung Sinn, erfolgt die Operation. Die Kosten für die Operation selbst werden i.d.R. von den Krankenkassen getragen, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur die Kosten für das sensorische Feedbacksystem Suralis für nicht AUVA-Versicherte (Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Österreich) durch den Betroffenen zu tragen sind (ca. 8.000€).
Laut Mag. Rainer Schultheis, Saphenus Medical, wurden bisher ein knappes Dutzend Patienten im Rahmen von ersten Studien versorgt. Gemeinsam mit der AUVA soll das weitere Vorgehen wissenschaftlich begleitet werden. Eine umfassende, multizentrische Studie ist geplant, um die Wirksamkeit zu bestätigen und weiteres evidenzbasiertes Wissen zu schaffen. Gespräche mit Krankenkassen in Deutschland, Österreich und Italien finden bereits statt. Sapehnus erhielt im 1. Quartal 2020 die Förderung durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ und ist Mitglied der Gemeinwohlökonomie², einem Wirtschaftssystem, das auf gemeinwohl-fördernden Werten aufgebaut ist.
Mein Fazit
Genial! Eine Amputation ist ein drastischer Einschnitt in das Leben der Betroffenen. Neben Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten leiden viele Menschen mit Amputationen unter starken Phantomschmerzen. Bis dato hat sich zur nachhaltigen Behandlung keine Therapie durchgesetzt. Die Menschen leben mit den chronischen Schmerzen, die häufig nur durch schwere Schmerzmittel wie Opiate oder Morphin eine vorübergehende Linderung erhalten. Mit der Erfindung der fühlenden Prothese könnte vielen Betroffenen geholfen werden. Dazu kommt, dass durch das authentische Fühlen die unterschiedliche Beschaffenheit des Bodens wiedererkannt wird, was positiv auf die Gangstabilität und das Gangbild einzahlt.
In einem persönlichen Gespräch erzählte mir Mag. Rainer Schultheis, dass der erste Patient, bei welchem eine bionische Prothese versorgt wurde, heute – rein vom Fühlen – nicht mehr unterscheiden kann, welcher Fuß gesund ist und welcher nicht. Für Rainer Schultheis ist die prothetische Versorgung weltweit eine Herzensangelegenheit. Natürlich ist das Projekt Suralis auf Gewinn ausgerichtet. Es soll aber auch einen Beitrag leisten für die Unterstützung der prothetischen Versorgung in der Dritten Welt.
Weiterführende Informationen finden Betroffene und Interessierte auf der Homepage des Unternehmen saphenus.com.
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