Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2023

*Werbung – unbezahlt – wegen Namensnennung / Verlinkung*
„Jetzt reiß dich doch einfach mal zusammen, dann schaffst du das schon.“ Derartige Ratschläge bekommen Menschen mit Depression leider immer wieder zu hören. Der Grund: Wer noch nie eine Depression hatte, kann sich nun mal nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man morgens einfach nicht aufstehen kann. Deswegen verstehen sie auch nicht, wie quälend und lähmend die Erkrankung sein kann. Drei Stipendiatinnen des Creative Prototyping Stipendiums der Universität der Künste in Berlin haben mit der SHITSHOW Gefühle mit Gefühls-Simulatoren körperlich erfahrbar gemacht.  Depressionen und auch Angststörungen finden nicht einfach nur als unangenehme Gedanken im Kopf statt. Sie sind auch körperlich spürbar. Ärzte sprechen hier von leibnahen Symptomen. Aber wie beschreibt man seinen Kindern, seinem Partner, wie es sich körperlich anfühlt, wenn man sich psychisch nicht gut fühlt? Diese Empfindung für alle erlebbar zu machen ist die Idee hinter THE SHITSHOW.

Was genau ist die SHITSHOW?

Die SHITSHOW hat auch den Untertitel „A SHOW ABOUT SHITTY FEELINGS“. Es handelt sich dabei um eine mobile, interaktive Ausstellung, die ausgewählte psychosomatische Symptome, die mit einer Depression oder Angststörung einher gehen können, mittels Emotions-Simulatoren, den so genannten Moodsuits, auf körperlicher Ebene nachvollziehbar macht. Damit ist die Shitshow auch ein psychoedukatives Präventionsformat, das zum Austausch rund um das immer noch stark tabuisierte Thema Depression und Angststörung anregen will.
Panels mit Postern zur Ausstellung SHTSHOW
Ausstellung SHITSHOW © Marie Jacob
Von Nele Groeger erfahre ich noch:
„Die SHITSHOW ist aus einer persönlichen Motivation heraus entstanden. Johanna hat Erfahrungen mit Angststörungen, ich habe Erfahrungen mit Depressionen und Luisa hat Erfahrungen mit uns beiden. In unserer Freundschaft kam es immer wieder zu Schwierigkeiten, wenn es darum ging, dem jeweils anderen zu erklären, wie sich diese Erkrankungen wirklich anfühlen können. Die Ausstellung und die MOODSUITS sollen Betroffenen und ihrem sozialen Umfeld dabei helfen, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Sie können in der Psychoedukation von Angehörigen, in der Sensibilisierung von angehenden Ärzten, Therapeuten oder Pflegekräften eingesetzt werden. Außerdem planen wir eine bundesweite Tour an Schulen und Universitäten.“
Foto von Johanna Dreyer, Nele Groeger und Luisa Weyrich
Nele Groeger, Johanna Dreyer und Luisa Weyrich (v.l.n.r.) © Marie Jacob

Welche Moodsuits gibt es bei der SHITSHOW?

Aktuell gibt es 4 Moodsuits: DIE GLOCKE
Moodsuit "DIE GLOCKE"
Moodsuit „DIE GLOCKE“ © Marie Jacob
Dieser Moodsuit erinnert mich spontan an „Darth Vader“. Er simuliert das Gefühl der Isolation. Mit dem Teil auf dem Kopf sieht und hört man nicht richtig, es fühlt sich alles dumpf an und man ist abgetrennt von der Welt. Das Gefühl der depressiven Abgeschiedenheit ist etwas ganz Typisches, was Patienten in einer depressiven Episode erleben. DER BEUGER
Moodsuit "DER BEUGER"
Moodsuit „DER BEUGER“ © Marie Jacob
Dieser Moodsuit drückt einen im wahrstem Sinne des Wortes nieder. Mit ihm auf dem Rücken ist es quasi unmöglich, sich aufzurichten. Die Niedergedrücktheit verbunden mit einer unermesslichen Kraftlosigkeit ist ebenfalls eine Empfindung, die man von depressiven Menschen immer wieder hört. DAS CAPE
Moodsuit "DAS CAPE"
Moodsuit „DAS CAPE“ © Marie Jacob
Auch ganz typisch für eine Depression ist ein Schweregefühl, das jede Bewegung zu einem enormen Kraftakt werden lässt. Betroffene beschreiben es oft so, dass sie es kaum schaffen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das Cape ist eine direkte Umsetzung dieses Gefühls in Form eines schweren Umhangs, der die Schultern nach unten drückt. So werden selbst die einfachsten kleine Tätigkeiten auf einmal sehr mühsam. DER WÜRGER
Moodsuit "DER WÜRGER"
Moodsuit „DER WÜRGER“ © Marie Jacob
Das Gefühl vom berühmten „Kloß im Hals“ kennen vermutlich einige Menschen aus Situationen, in denen sie sehr aufgeregt oder traurig waren. Menschen mit einer Angststörung haben dieses äußerst unangenehme Enge- und Fremdkörpergefühl im Hals praktisch ständig. Dieser Moodsuit legt sich wie eine schwere Kette um den Hals, um das Gefühl zu simulieren. Was die Ausstellung sonst noch bietet erfährst du in diesem Video:

Fazit:

In meinem Studium sind mir Alterssimulationsanzüge, mit denen man es jüngeren Menschen ermöglicht, in die Erfahrungswelt älterer Menschen einzutauchen, begegnet. Aber die Moodsuits waren mir neu. Unsere Ärztin Heidi Funk hat vor ihrer Zeit in der Agentur selbst viele Patienten mit Depressionen und Angststörungen behandelt. Von ihr erfahre ich: „Oft habe ich von meinen Patienten gehört, dass sie die Schwere so intensiv an ihrem Körper spürten, dass sie sie am liebsten packen und aus ihrem Körper herausreißen wollten.“ Das verdeutlicht die massiv belastenden physischen Beschwerden, die mit einer Depression einhergehen. „Mit den Moodsuits“, so Heidi weiter, „kann man sich der Schwere schnell wieder entledigen. Der Mensch in einer depressiven Episode aber kann das leider nicht. Daher ist die Shitshow ein ganz wertvolles Projekt, um Depressionen für Nicht-Betroffene erlebbar zu machen und die Diskussion darüber anzustoßen. Derartige Projekte tragen für ein besseres Verständnis im Umfeld der Erkrankten und am Ende auch zur Destigmatisierung von Depressionen und Angststörungen bei.“
Share