Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2023

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Seit langem forschen Wissenschaftler nach einer Möglichkeit, Insulin einfach und schmerzlos in Tablettenform zu verabreichen. Alle Versuche verliefen bisher erfolglos, die inhalative Therapie scheiterte an der fehlenden Akzeptanz.

Ist Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, MA/USA, nun ein erster Durchbruch bei der Insulintherapie des Typ-2-Diabetes gelungen? Eine schluckbare Mini-Kapsel, die Basalinsulin in die Magenschleimhaut injiziert, soll die Lösung sein.

Diabetes in Zahlen

Der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2017 spricht von 6,5 Mio. Menschen in Deutschland, die mit Diabetes leben. Diagnostiziert. 95 % davon sind an einem Typ-2-Diabetes erkrankt. Das Deutsche Diabetes Zentrum rechnet bis 2040 mit bis zu 12 Mio. Menschen mit Diabetes in Deutschland.

Klassisch wird der Typ-2-Diabetes im ersten Schritt mit gesunder Ernährung und mehr Bewegung behandelt. Im zweiten Schritt dann mit oralen Antidiabetika. Häufig wird jedoch auch eine Insulintherapie nötig. Nämlich dann, wenn das individuelle Therapieziel (der HbA1c-Zielwert) nicht erreicht werden kann.

Dann heißt es: Insulin-Pen zücken, eine geeignete Einstichstelle an Bauch, Gesäß oder Oberschenkel finden und dann die Pen-Nadel in das Gewebe stechen. Alle Tage wieder, mindestens 1x täglich, je nach Therapie auch häufiger. Besonders angenehm ist das nicht. Von den Gewebeveränderungen, wie z. B. Verdickungen des Unterhautfettgewebes (Lipohypertrophien), ganz zu schweigen.

Die Spritze zum Schlucken

Das Forscher-Team um Giovanni Traverso entwickelte nun eine Kapsel, die etwa so klein ist wie eine Heidelbeere. In der Basis besteht sie aus rostfreiem Stahl und enthält eine kleine Nadel, die nahezu aus 100 % komprimiertem, gefriergetrocknetem Insulin besteht. Sie ist an einer Feder befestigt, die in karamellisiertem Zucker eingebunden ist. Wird die Kapsel geschluckt, löst das Wasser im Magen den Zucker auf. Die Feder wird ausgelöst, das Insulin über die Nadel injiziert.

Aufgrund eines tiefen Schwerpunktes kommt die Kapsel im Magen immer mit ihrer Basis auf der Schleimhaut zum Liegen. Nachdem die Nadel ausgestoßen wurde, löst sich die Tablette von der Magenwand ab und wird über den Darm ausgeschieden.

Mein Fazit

Wenn es endlich eine Lösung gibt, dass sich Menschen mit Diabetes Insulin nicht mehr selbst spritzen müssen, wäre das eine wirklich segensreiche Entwicklung. Da die Magenschleimhaut keine Schmerzrezeptoren hat, sollte die Therapie für den Patienten schmerzlos sein. In Tierversuchen zeigte sich, dass das Insulindepot, das in die Schleimhaut injiziert wurde, langsam resorbiert wird. Außerdem, dass die Kapsel im Nüchtern-Zustand genügend Insulin abgeben kann, um den Blutzucker auf ein Niveau zu senken, das mit jenem vergleichbar ist, das durch Injektionen über die Haut erzeugt wird.

Die Fragen die bleiben: was passiert, wenn die Kapsel nicht nüchtern eingenommen wird? Gibt es chronische Auswirkungen der täglichen Mageninjektionen? Nachhaltige Gewebeschäden durch die wiederholten Einstiche? Entzündliche Reaktionen des Körpers? Und last but not least: das Insulin wird innerhalb einer Minute aktiv, aber keiner weiß genau, in welchen Mengen und wie lange es abgegeben wird. Eigentlich wird die Menge Basalinsulin, die gespritzt wird, in Abhängigkeit vom Nüchtern-Blutzuckerwert dosiert. Das funktioniert mit der Kapsel nicht. Und: wie hoch ist das Hyporisiko bei Nüchterneinnahme?

Fragen über Fragen, die in weiteren Studien geklärt werden müssen. Interessant genug scheint es aber auf jeden Fall zu sein. Denn ein großes Pharmaunternehmen zeigt Interesse an der klinischen Entwicklung.

Abstract zur Studie: Science, Vol. 363, Issue 6427, pp. 611-615, 08 February 2019, DOI: 10.1126/science.aau2277

Public Release EurekAlert!/AAAS

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