Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2023

Kürzlich haben wir in einer privaten Frauenrunde über das Thema Demenz bei der eigenen Mutter gesprochen. Dabei ging es natürlich auch um die Dauerbelastung von pflegenden Angehörigen und die Frage, wie man sich schützen kann, um nicht an dieser Aufgabe zu zerbrechen. Die große Mehrheit der an Demenz Erkrankten in Deutschland wird von Angehörigen im häuslichen Umfeld versorgt. Die Betreuenden, oft die Töchter, überschreiten dabei nicht selten die eigene Belastungsgrenze. Ein Burnout droht.

„Kennt ihr die Marte Meo Methode?“, fragt eine in die Runde. Marte Meo bedeutet so viel wie „etwas aus eigener Kraft erreichen“. Die Methode ermögliche durch Videoaufnahmen einen neuen Blick auf bekannte Alltagssituationen. Wichtigstes Ziel sei es, dass derjenige, der mit Marte Meo begleitet wird, seine eigenen Möglichkeiten und Kräfte wieder entfalten kann, um mit der Betreuung besser klar zu kommen.

Aha, dachte ich mir, nie gehört. Aber ich wurde neugierig. Und im Rahmen meiner Recherche bin ich auf Karola Becker gestoßen, die als zertifizierte Marte Meo Therapeutin sehr viel Erfahrung und beeindruckende Erfolge mit dieser Methode hat. Für ihr außergewöhnliches Engagement wurde Karola Becker übrigens kürzlich mit dem Rudi Assauer Preis ausgezeichnet.

Im Austausch mit Frau Becker erfuhr ich, dass die Marte Meo Methode im Grunde ein Krisenpräventionsmodell ist, das besonders in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz eine Burnout-Prophylaxe für Angehörige und Pflegekräfte darstellen kann. Und dass diese Methode, obwohl schon in den 1970er Jahren entwickelt, auf den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung basiert.

„Das geniale an dieser Methode ist, dass – im Rahmen eines Beratungsprozesses – die Entwicklungsprozesse in Videos festgehalten werden. Das ist nicht nur effektiv, sondern macht den Betreuenden ebenso wie den Betreuten sehr viel Freude. Denn alle sehen, dass es besser geht. Die Fähigkeiten der Betroffenen werden gefördert und das Wohlbefinden steigt.“, erzählt mir Karola Becker.

Wie funktioniert das genau?

Bei Marte Meo wird mit Videoaufnahmen gearbeitet: Situationen aus dem Betreuungsalltag aufgezeichnet. Mithilfe ausgewählter Checklisten erfolgt dann eine detaillierte Interaktionsanalyse durch eine zertifizierte Marte Meo Therapeutin. Diese schneidet danach einen Clip zurecht und präsentiert ihn den Angehörigen. So werden die Fähigkeiten, Fertigkeiten und die Kommunikationsstrukturen aller Beteiligten sichtbar. Dabei bekommen die Betreuenden konkret gezeigt, was sie bereits unterstützend tun.

Durch die Aussagekraft der Bilder in Verbindung mit konkreten Informationen zu unterstützendem Verhalten wird an ihre vorhandenen Ressourcen angeknüpft und Veränderungsprozesse in Gang gebracht. Auf diesem Weg werden Stärken erkannt und aktiviert. Diese können dann gezielt genutzt und weiterentwickelt werden. Die Gespräche werden in bestimmten Abständen mehrfach wiederholt.

„Angehörige sind meist verwundert, welche Auswirkungen ihr eigenes Verhalten auf das Wohlbefinden der Erkrankten hat.“, sagt Karola Becker, die mit großer Leidenschaft und Erfolg mit dieser Methode nicht nur Pflege- und Betreuungskräfte sondern auch immer mehr betreuende Angehörige unterstützt.

Mein Tipp

Absolut sehenswert ist der ARD-Dokumentarfilm MENSCH LEUTE Die Glücksjägerin. Hier wird die Methode sehr eindrucksvoll in der Praxis vorgestellt.

Ziel der Marte Meo Methode

Ziel ist es, das Handeln der Angehörigen bewusster zu machen, einen konkreten Lernprozess anzustoßen und die Beziehung zum Erkrankten stressfreier zu gestalten. Am Ende bedeutet das eine bessere Pflege- und Lebensqualität für Betreuende und Pflegebedürftige.

„Ich empfinde die Methode als sehr genial, da man anhand des Videos den Alltag nochmals entschleunigen und mehr Bewusstsein für entwicklungsunterstütztes Verhalten aufzeigen kann. Das videobasierte Beratungsgespräch berührt die Menschen emotional, so dass sie ein Bewusstsein für unterstützendes Verhalten erlangen, welches Zugehörigkeit, Selbständigkeit und emotionales Wohlbefinden hervorruft. Angehörige sind meist verwundert, welche Auswirkungen ihr eigenes Verhalten auf das Wohlbefinden der Erkrankten hat.“, so Karola Becker, die auch Mitglied der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz ist.

Forschungsergebnisse zu Marte Meo bei Demenz

Mittlerweile liegen einige interessante Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von Marte Meo bei Demenz vor. Marte Meo zielt dabei nicht auf die Verbesserung oder gar Heilung der Demenz ab, denn solche Effekte sind bei einem degenerativen Prozess nicht zu erwarten. Marte Meo hat stattdessen die hilfreiche Interaktion im Blick.

Verfügbarkeit der Marte Meo Methode

Bei aller Begeisterung für diese Methode bleibt noch die Frage: Wie kommen Familien an diese spezielle Art der Unterstützung und was kostet sie?

Marte Meo hat sich wohl in anderen Bereichen wie bspw. im Jugendhilfebereich schon sehr gut etabliert und die Kosten werden hier bei entsprechender Indikation auch von den Jugendämtern getragen. Im Demenzbereich hingegen, wo unbestritten ein enormer Bedarf besteht, fehlt es an ausgebildeten Marte Meo Fachkräften. Und – das ist aus meiner Sicht der größte Wermutstropfen – die Hilfe ist derzeit leider keine Kassenleistung, so dass die Familien die Kosten für die Beratung selbst tragen müssen. Alternativ gibt es von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft aber eine ganze Reihe an Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige.

Mein Fazit

Ein schöneres Fazit über die Marte Meo Methode als das von Karola Becker selbst kann ich nicht ziehen, darum möchte ich sie hier einfach nur zitieren: „Im Hier und Jetzt noch mal schöne Momente zu kreieren, das ist das wichtigste, was man mit Demenzkranken bis zum Schluss erleben kann. Das gilt auch, wenn die Demenz bereits ganz weit fortgeschritten ist.“

P. S.: Wer generell am Thema Demenz interessiert ist, findet hier noch einen weiteren Artikel dazu.

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